SOLIDES HALBWISSEN I: MÜNCHEN, DIE RETORTENSTADT

Mün­chen, ganz beson­ders „das alte“, ist in ers­ter Linie das Werk von Leo von Klen­ze, der das Stadt­bild mit sei­nen klas­si­zis­ti­schen Bau­ten und groß­zü­gig dimen­sio­nier­ten Stra­ßen­zü­gen im 19. Jahr­hun­dert ent­warf: Im Auf­trag von Lud­wig I, des­sen Hof­ar­chi­tekt er war.

Mar­stall, Königs­platz, Lud­wig­stra­ße, Glyp­to­thek, Ruh­mes­hal­le, Alte Pina­ko­thek, Resi­denz, Ode­on, Baye­ri­sche Staats­oper, Staats­thea­ter am Gärt­ner­platz… alles acht­zehn­hun­der­tir­gend­was erbaut (u.a. von fran­zö­si­schem Geld) – und damit flamm­neu, gemes­sen an rich­ti­gen Städ­ten wie Paris, Rom oder Lon­don.

Auch die Trach­ten und Stän­de-Klei­dung Mün­chens wur­den vor gera­de ein­mal 150 Jah­ren von Büro­kra­ten fest gelegt. Soviel zu Tra­di­ti­on und Brauch­tum der „Bay­ern-Metro­po­le“.

Wahr­schein­lich sah Lud­wig Eins einen drin­gen­den Hand­lungs­be­darf, Mün­chen mit der Brech­stan­ge auf Vor­der­mann zu brin­gen. Den Bay­ern war die Stadt schließ­lich lan­ge genug über­las­sen gewe­sen, um dem könig­li­chen Auge gründ­lich zu miss­fal­len.

Klen­ze, 1784 in Schla­den gebo­ren, war übri­gens Nie­der­sach­se. Sozu­sa­gen ein frü­her Albert Speer der Mon­ar­chie.

Und war­um auch nicht? Ott­mar Hitz­feld ist ja auch kein Bay­er.

Als Besu­cher wun­dert man sich immer wie­der, wie eine der­art mau­li­ge und oft unfreund­li­che Bevöl­ke­rung zu solch lebens­be­ja­hen­der, archi­tek­to­ni­scher Pracht kommt. Und wie es sein kann, dass die Bewoh­ner die­ser Herr­lich­keit bei den ers­ten Son­nen­strah­len ihre Klei­dung able­gen, um wie die Vie­cher halb­nackt auf jedem sich bie­ten­den Ver­kehrs­in­sel-Grün vor sich hin zu dösen?

Die Ant­wort ist klar: Mün­chen und die Bay­ern haben eigent­lich nichts mit­ein­an­der zu tun.

Mün­chen ist feu­da­le Archi­tek­tur mit jeder Men­ge Bier­trän­ken durch­setzt, um den ein­fa­chen Bür­ger bei Lau­ne zu hal­ten und ihm ein Gefühl von Hei­mat zu geben. Hier, wo man an pri­mi­ti­ven Holz­ti­schen Selbst­ver­zapf­tem frönt, ist das eigent­li­che Lebens-Bio­top des Mün­che­ners. Das fran­zö­sisch-nie­der­säch­si­sche Stadt­bild nimmt er ger­ne und mit gro­ßem Stolz in Kauf. Dass er gar nichts dafür kann, weiß er ja nicht.