Kos­ten­lo­se Tipps für Wer­be­tex­te.

Tipps für Werbetexte: alles umsonst?
Bild: pixabay.com

Nie­mand wür­de einen Zahn­arzt nach Tipps und Tricks fra­gen, wie man sich Zahn­ersatz aus Bau­markt­krem­pel selbst bas­teln kann. Und nie­mand käme je auf die Idee, einen Schrei­ner, den er gera­de in den gel­ben Sei­ten gefun­den hat, zu löchern, wie man Ein­bau­schrän­ke in Eigen­leis­tung zim­mert.

War­um nicht? Im ers­ten Fall steht man mit einem Bein in der Klap­se. (Mer­ke: Die ansäs­si­gen Medi­zi­ner ken­nen sich alle und tau­schen sich unter­ein­an­der aus.) Im zwei­ten müss­te man sich auf eine exzel­len­te Tira­de an Schimpf­wor­ten und Ver­wün­schun­gen gefasst machen, denen man nur wenig ent­ge­gen­zu­set­zen hät­te. Da sind Hand­wer­ker ziem­lich klas­se drin. (Und ich kann jedem nur emp­feh­len, sich ab und an mal mit einem auf ein Bier zu tref­fen. Das kann viel Geld für den The­ra­peu­ten spa­ren.)

Kos­ten­lo­se Tipps für Wer­be­tex­te? – Geschenkt!

Aber zurück zum The­ma. War­um mei­nen man­che Leu­te eigent­lich, für Pipi­fax wie Auto­re­pa­ra­tu­ren oder Herz­schritt­ma­cher Geld aus­ge­ben zu müs­sen, für pro­fes­sio­nel­le Wer­be­tex­te aber nicht?

Hier scheint der Irr­glau­be vor­zu­herr­schen: Wer­be­tex­ten kann im Grun­de jeder, wenn er nur die Zeit dafür hät­te. Oder wenn man ihm ein paar „Tricks und Tipps“ ver­ra­ten wür­de. Kos­ten­los ver­steht sich, denn im Leben bekommt man ja auch sonst alles geschenkt.

Auf­sit­zen! Der IHK zum Bei­spiel.

Im ger­ma­nisch-preu­ßi­schen Kol­lek­tiv­be­wusst­sein stellt das Wer­be­tex­ten irgend­wie kei­ne ernst­zu­neh­men­de Tätig­keit dar.

Das kann u.a. dar­an lie­gen, dass der Beruf des Wer­be­tex­ters von der IHK nicht wirk­lich aner­kannt wird. Im Gegen­satz zu dem des „Satt­lers“ – auf den eine stol­ze Rei­ter­na­ti­on wie Deutsch­land aus leicht nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den nicht ver­zich­ten mag.

Der Beruf des Wer­be­tex­ters kommt in kei­ner Stän­de­rol­le vor. Im Mit­tel­al­ter hät­ten ihn des­halb sogar Juden aus­üben dür­fen, denen „christ­li­che Beru­fe“ weit­ge­hend ver­wehrt waren. Haben sie aber nicht. Weil: Damals gab es noch kei­ne moder­ne Markt­wirt­schaft.

Wer­be­tex­ter waren Min­ne­sän­ger, Pre­di­ger, Hof­schrei­ber, Dich­ter oder Auto­ren from­mer Sinn­sprü­che. Also arme Wich­te und peku­ni­är meist pre­kär unter­wegs.

Apo­ka­lyp­ti­sche Sprach­blä­hung.

Wie ganz anders doch unse­re herr­li­che Post-Moder­ne.
Wir schrei­ben das Jahr 2008. Die Welt stöhnt unter den Fol­gen einer Spe­ku­la­ti­ons­bla­se, wel­che die gesam­te Wirt­schaft und das Leben, wie wir es ken­nen, kom­plett zu zer­rei­ßen oder zumin­dest auf den Kopf zu stel­len droht.

Eine plat­zen­de Spe­ku­la­ti­ons­bla­se: Wer dabei an Blä­hun­gen und Fla­tu­lenz denkt, liegt rich­tig, denn der wah­re Grund für das Arma­ged­don, das uns erwar­tet, ist die viel zer­stö­re­ri­sche Text­bla­se.

Wo man hin­schaut nichts als Wor­te. Die Medi­en: Eine ein­zi­ge end­lo­se, sich stän­dig aus sich selbst erschaf­fen­de Tira­de. Die Städ­te: zuge­kleis­tert mit Tex­ten aller Art.

Wenn wir uns dem nicht ganz bewusst ent­zie­hen, wer­den wir gna­den­los zuge­tex­tet. Von Radio­ge­rä­ten, Fern­se­hern, Zeit­schrif­ten, Pla­ka­ten, Fly­ern, Ange­bots­zet­teln, die uns auf der Stra­ße in die Hand gedrückt wer­den… und natür­lich dem all­ge­gen­wär­ti­gen Inter­net. (Das 2008 noch gar nicht so all­ge­gen­wär­tig war: Das ers­te iPho­ne wur­de erst im Jahr davor vor­ge­stellt.)

The hea­vy hea­vy mons­ter-sound.

Wie die Band Mad­ness in den 80ern sang: Don’t watch this. – Watch that! Jeder will um jeden Preis ein Zip­fel­chen unse­rer Auf­merk­sam­keit ergat­tern, damit wir ihm die­ses oder jenes abkau­fen. Ob Pro­duk­te, Mei­nun­gen oder poli­ti­sche Ide­en: Ver­kauft muss wer­den. Und die Ziel­schei­be sind wir.

Nur das Ges­um­se von „Fach­leu­ten“ hat finanz­markt­fer­ne Omis dazu gebracht, all Ihre Erspar­nis­se mit spe­ku­la­ti­ven Leh­mann-Zer­ti­fi­ka­ten zu ver­nich­ten. Wer­bung begeg­net uns über­all. Manch­mal sogar als harm­los rot­wan­gi­ger Bank­an­ge­stell­ter, der unser Enkel sein könn­te.

Ohne die Text­bla­se wäre eine Kre­dit­bla­se nicht mög­lich gewe­sen.

Wer­bung ist gefähr­lich.

Jeden Tag ster­ben mehr Men­schen an Nuss­all­er­gie als an Ter­ror­an­schlä­gen. Trotz­dem mes­sen wir Letz­tem mehr Bri­sanz bei. – War­um?
Sind wir viel­leicht den Text­bla­sen der Poli­tik auf­ge­ses­sen, die unse­re Frei­heits­rech­te ein­schrän­ken will? Natür­lich nur zu unse­rem Schutz, ver­steht sich?

Poli­ti­ker, Fach­leu­te, Jour­na­lis­ten, Soap-Auto­ren, Wer­be­tex­ter: „Alle fres­sen aus dem sel­ben Napf“, wie es Al Paci­no in „Im Auf­trag des Teu­fels“ so schön for­mu­liert.

Ohne uns läuft der Laden nicht. Denn ohne uns gäbe es nur 3 Wasch­mit­tel statt 20. Ohne uns wür­den die Leu­te nicht in die Kari­bik rei­sen, son­dern im Sauer­land blei­ben. Ohne uns gäbe es kei­ne Pro­mis, kei­ne Schön­heits­ope­ra­tio­nen, kei­ne Mode, kei­ne Pro­duk­te, die schön, glück­lich und zufrie­den machen, kein Geld für die Raum­fahrt und kei­ne Mehr­hei­ten für poli­ti­sche Pro­gram­me.

Anders for­mu­liert: Ohne uns gäbe es kei­ne Krie­ge, kei­ne Ess­stö­run­gen, kei­ne Umwelt­ver­schmut­zung, kein Hartz IV, kein GNTM.

Wir haben das ein­fa­che mensch­li­che Dasein bis zum Plat­zen auf­ge­pumpt mit hei­ßer Luft.

Und das ganz allein mit Wor­ten.

Wir sind die Bösen.

Glau­ben Sie ernst­haft, Sie bekä­men von mir oder mei­nen Kol­le­gen irgend­et­was umsonst, das Ihnen wirk­lich wei­ter­hilft?

Was nix kos­tet, ist auch nix. Außer manch­mal.

Aber Pole­mik bei­sei­te. Eigent­lich sind Wer­be­tex­ter ganz net­te, oft lie­bens­wer­te Men­schen. Sie üben ledig­lich einen selt­sa­men Beruf in einer komi­schen Welt aus, die von einer ziem­lich durch- und zuge­knall­ten Mensch­heit domi­niert wird.

Dabei kön­nen Wer­be­tex­ter oft auch aus­ge­spro­chen groß­zü­gig sein. Buchen Sie einen, z.B. um einen schi­cken, ver­käu­fe­ri­schen Text für die Start­sei­te Ihres Online-Shops zu bekom­men, kann es sein, dass er ihnen oben­drein noch wert­vol­le Tipps für die Such­ma­schi­nen­op­ti­mie­rung gibt und Ihnen einen Gra­fi­ker besorgt, der Ihr Lay­out auf Vor­der­mann bringt. Bei­des qua­si unent­gelt­lich zum Text-Hono­rar dazu.

Zum einen aus Eitel­keit: Er will, dass jeder sei­nen tol­len Text liest, der dann kei­nes­falls in einem ram­schi­gen Umfeld ste­hen darf. Zum ande­ren aus Gut­mü­tig­keit: Er freut sich, wenn sein Kun­de erfolg­reich, glück­lich und zufrie­den ist. Dar­aus bezieht er sei­ne Selbst­ach­tung. Die Bezah­lung ist für ihn ein wich­ti­ges Kri­te­ri­um für die Wert­schät­zung sei­ner Arbeit.

Denn eigent­lich gibt es sei­nen Beruf ja gar nicht.

(Text wur­de 2018 leicht redi­giert.)

3 thoughts on “Kos­ten­lo­se Tipps für Wer­be­tex­te.”

  • Gute Wer­be­tex­te kos­ten nun mal Geld. Und das ist auch gut so.

    Herr Mai­er, vie­len Dank für die­sen schö­nen Text. Er ist eine Lab­sal für die Krea­ti­ven – in einer Zeit in der es das Bes­te anschei­nend nur noch „for free“ gibt. Oder eben doch nicht?

    Freund­li­che Grü­ße
    Andre­as Kuhn

  • Hal­lo! Sie haben ja recht! Ich woll­te mir einen bil­li­gen Jakob machen und bin auf Ihre Sei­te gelan­det. Okay, ich stren­ge jetzt mei­nen Hirn an und wer­de ver­su­chen ein Text zu schrei­ben, der sich so wit­zig und treff­ge­nau ist, wie Ihrer. Sie haben mich über­zeugt,

    dan­ke
    cam­po­si­na

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