Wirk­lich­keit vs. Rea­li­tät.

Wirklichkeit und Realität: Zwei grundverschiedene Dinge.
Bild: Euge­ne Capon, Pexels

Ver­blüf­fend, wie viel­schich­tig unse­re Spra­che ist. Als Tex­ter bin ich immer wie­der über­rascht von den Facet­ten bestimm­ter Wör­ter. „Wirk­lich­keit“ zum Bei­spiel – ein Wort, das zum Erkun­den ein­lädt und im Gegen­satz zur „Rea­li­tät“ Per­spek­ti­ven schafft.
Aber der Rei­he nach.

Die Rea­li­tät – rea­lis­tisch betrach­tet.

Rea­li­tät“ ist ein Wort mit unan­ge­neh­mem Bei­ge­schmack. Sie ist eine Zucht­meis­te­rin: Der Rea­li­tät hat man sich zu beu­gen. Plä­ne schei­tern an der Rea­li­tät. Die Rea­li­tät holt uns ein (was nie Gutes bedeu­tet). Ganz rea­lis­tisch betrach­tet ist die Rea­li­tät eine ech­te Unsym­path­in, auto­ri­tär und unbeug­sam wie der Trai­ner eines sozia­lis­ti­schen Olym­pia-Kaders. Ein Fels der Fan­ta­sie­lo­sig­keit in der Bran­dung der Alter­na­ti­ven.

Die Wirk­lich­keit: alles, was wirkt.

Ganz anders die Wirk­lich­keit. In ihr steckt das Verb „wir­ken“. Die Wirk­lich­keit beschreibt die Auswir­kun­gen unse­rer Gedan­ken und Hand­lun­gen. Unse­re Zivi­li­sa­ti­on ist nicht ein­fach vom Him­mel gefal­len, son­dern die Neu­auf­la­ge von Zivi­li­sa­tio­nen, die längst Geschich­te sind aber heu­te noch nachwir­ken. Die Wirk­lich­keit beginnt beim Urknall. Davor gab es nichts. Nicht ein­mal Rea­li­tät.

Bild: Chris Til­le

Das ältes­te Licht des Uni­ver­sums wirkt noch heu­te: als Cos­mic Micro­wa­ve Back­ground (CMB). Es ent­stand 380.000 Jah­re nach dem Urknall und brauch­te 13,7 Mil­li­ar­den Jah­re, um die Erde in Form von Mikro­wel­len zu errei­chen, wo deren Mus­ter vom Foto­künst­ler Chris Til­le in monu­men­ta­len Bild­wer­ken sicht­bar gemacht wur­den. Sie hel­fen Wis­sen­schaft­lern, die Geschich­te des Uni­ver­sums zu ver­ste­hen.

Bild: ThomasB72, Pixabay

Bat­man, es gibt dich wirk­lich!?!“

Die Wirk­lich­keit ist der Ort zur Ver­wirk­li­chung von Träu­men. Fan­ta­sie wird Wirk­lich­keit, wenn Super­hel­den in den Köp­fen des Publi­kums „wir­ken“ und zum fes­ten Bestand­teil der Pop­kul­tur wer­den.

Die Rea­li­tät hat mit Fan­ta­sie nicht viel am Hut; erst die Wirk­lich­keit ermög­licht es Träu­men Rea­li­tät zu wer­den: DC Comics, Mar­vel und Dis­ney sind längst welt­wei­te, mil­li­ar­den­schwe­re Wirt­schafts­im­pe­ri­en. Geld schafft Rea­li­tät. Sie ist die ein­fäl­ti­ge, mate­ria­lis­ti­sche Schwes­ter der Wirk­lich­keit.

Rea­li­tät ist das men­ta­le Guan­ta­na­mo für Fan­ta­sie­be­frei­te, die Dog­men und Begrif­fe wie „alter­na­tiv­los“ unwi­der­spro­chen hin­neh­men.

Die Wirk­lich­keit hin­ge­gen ist die Krea­tiv-Spiel­wie­se von Machern, die immer neue Wege fin­den, um die Rea­li­tät zu ihren Guns­ten zu nut­zen und bei Bedarf aus­zu­trick­sen.

Mal wirk­lich: Ist unse­re Spra­che nicht toll?

 

Beim nächs­ten Mal geht es dann um das wun­der­ba­re Wort „Aus­schei­dungs­kämp­fe“.