Trübe Zeiten für Texter? Die künstliche Intelligenz wird uns alle arbeitslos machen, raunt es allerorten. Ich glaube das nicht. Nun gut, manche journalistischen Arbeiten werden bereits mittels KI geschrieben und für neutrale Sachtexte sind die Fähigkeiten der digitalen Brains womöglich ganz ok. – Aber wie sieht es mit kreativen Texten aus? Mit Humor? Mit Texten, die nicht nur reine Produktinformationen sein wollen, sondern auch unterhaltsam, damit der Leser bei Laune bleibt? Ich mache den Test: Texter vs. ChatGPT.
Meine Lieblings KI ist aktuell ChatGPT 4. Ich nenne sie „Gisela“. Warum? Ich stelle mir gern eine Person als Gegenüber vor. Denn die Vorstellung, ein datensammelndes anonymes Monster zu trainieren, das auf Weltherrschaft aus ist, gefällt mir nicht.
Gisela ist eine eloquente künstliche Intelligenz, die bei Routineaufgaben brauchbare aber nicht unbedingt veröffentlichungsreife Ergebnisse liefert. Ganz gleich wie flüssig sich Giselas Texte auch lesen mögen, sie schreien nach Überarbeitung. Hinzukommt: Gisela schreibt, wie sie will – und mitunter auch völligen BS. Ein Kollege von mir testierte neulich sogar: „ChatGPT lügt.“
„Das Modell denkt sich teilweise einfach Dinge aus.“ bestätigt Hannes Bajohr, Sprachwissenschaftler, im SRF. Und weiter: „Die Gefahr ist, dass wir dem Modell zu schnell Glauben schenken, weil es so plausibel klingt. Sodass wir nicht mehr kritisch nachfragen, ob auch wirklich stimmt, was im Text steht.“
So ergänzt ChatGPT auf Wunsch wissenschaftliche oder juristische Texte mit den dazugehörigen Fußnoten. Diese lesen sich sehr überzeugend. Das Problem: Die Quellen bzw. Präzedenzfälle, auf die sich die Fußnoten beziehen, existieren gar nicht.
Dies kann im unglücklichsten Fall das Ende der Karriere bedeuten.
Und wie sieht es mit kreativen Texten aus?
Mein Arbeitsethos als Texter lautet: Belohne das Publikum dafür, dass Du ihm die Zeit stiehlst! Mit Humor. Mit Spannung. Oder mit schönen Bildern, die ihn im besten Fall für einen Moment aus seinem Alltag entführen.
Mein Duell mit ChatGPT
SFX: High noon. Grillen zirpen. Von fern erklingt schicksalhaft eine Mundharmonika…
Ich: „Hallo, Gisela!“
ChatGPT (macht auf harmlos): „Hallo! Wie kann ich Ihnen heute helfen?“
(Links im Protokollfeld erscheint tatsächlich „Gisela’s greeting“. – Good girl!)
Ich: „Kannst Du mir bitte einen flotten Werbetext zum Hyundai S-Coupé schreiben? Vorkommen sollen die Begriffe Sportlenkrad, Servolekung, neigungsverstellbare Lenksäule, Drehzahlmesser, Sonnendach, getönte Scheiben, Halogenscheinwerfer, integrierte Nebelschlussleuchten, Breitreifen, Rammschutz und Sportauspuff. Der Text sollte nicht länger als 590 Zeichen inklusive Leerzeichen werden. Hinweis: das Auto ist nicht wirklich schnell. Es sieht nur schnell aus.“
Gisela feuert sofort aus der Hüfte:
„Entdecken Sie den Hyundai S-Coupé: Ihr Wegbegleiter mit Stil. Unterstreichen Sie Ihre Präsenz mit einem Sportlenkrad, das in einer neigungsverstellbaren Lenksäule sitzt. Genießen Sie den Komfort der Servolenkung und behalten Sie alles im Blick mit dem präzisen Drehzahlmesser. Das Sonnendach bringt Licht ins Dunkle, während getönte Scheiben für Ihre Privatsphäre sorgen. Beleuchten Sie die Nacht mit kraftvollen Halogenscheinwerfern und integrierten Nebelschlussleuchten. Das robuste Design mit Breitreifen und Rammschutz verleiht Ihnen Sicherheit und Stil. Und der Sportauspuff? Der verspricht mehr, als nur ein beeindruckendes Aussehen. Mit dem S-Coupé sieht es nicht nur schnell aus, es fühlt sich auch so an.“
Damit wäre ich als Junior nicht zum Chef gegangen. Süß finde ich aber die Formulierung „es fühlt sich auch schnell an“. Den Kern des Ganzen hat sie verstanden.
Ich lege nach: „Texte bitte noch eine passende Headline zur Anzeige!“
Gisela: „Sportliche Eleganz trifft Alltagskomfort: Hyundai S-Coupé – Fährt sich so gut, wie es aussieht!“
Ok, hier jetzt der Text des Texters:
Wir hätten ihn noch schneller machen können, aber Sie wollen ja mit ihm gesehen werden.
Willkommen zur Sportschau – im Hyundai S-Coupé 1,5i! Während andere noch um Sein oder Nichtsein kämpfen, lehnen Sie sich entspannt zurück und genießen die sportive Leichtigkeit des Schönseins. Ein glatter Sieg nach Punkten. Sportsgeist serienmäßig durch Sportlenkrad, Servolekung, neigungsverstellbare Lenksäule und Drehzahlmesser. Außerdem ein Sonnendach für noch mehr leichte Übungen an frischer Luft: getönte Scheiben, Halogenscheinwerfer, integrierte Nebelschlussleuchten, Breitreifen, Rammschutz und Sportauspuff. Das S-Coupé. Da kommt die Konkurrenz ganz schön ins Schwitzen.
Ich denke nicht, dass wir Texter bald alle arbeitslos sind.
Was denkst Du? – Tell me: 0171 5444222